CiviCRM in Deutschland

CiviCRM ist weltweit bei tausenden Organisationen im Einsatz. Der ehrenamtlich geführte Nachbarschaftsverein, die mittelgroße Hilfsorganisationen und der politische Verband in den USA mit Millionen Kontakten und Aktivitäten – sie alle sind Beispiele für die Leistungsfähigkeit und Flexibilität von CiviCRM.

Aber wie sieht es in Deutschland aus? Wir widmen wir uns einer kurzen Bestandsaufnahme.

Geschichte

Die Entwicklung von CiviCRM begann 2004 in den USA. Die Beweggründe waren hauptsächlich, dass bis dato existierende Produkte nicht flexibel genug und/oder nicht an die Anforderungen von Nonprofit-Organisationen wie NGOs Stiftungen, Vereine oder Verbände angepasst waren. Außerdem sollte CiviCRM "Freie Software" werden, weil dieses Ownership-Modell viel eher der Kultur und Ethik von Nonprofits entspricht. Es gab eine großzügige Anschubfinanzierung, darüber hinaus wurde und wird ein Kernteam von Entwicklern finanziert, die sich hauptberuflich um die Entwicklung der Software kümmern.

Nach Deutschland kam die Software zunächst nur langsam. Eine Rolle spielt sicher, dass es in hier schon lange eine breite Palette proprietärer Software gibt und auch die Anforderungen an CRM-Systeme teilweise länderspezifisch sind. In anderen nicht-englischsprachigen Ländern wie Belgien und den Niederlanden fand CiviCRM allerdings schon früher Verbreitung als in Deutschland.

Community

Weltweit nutzen ca. 10.000 Organisationen CiviCRM – wie viele es in Deutschland sind, ist schwer zu sagen. Wir gehen von einer niedrigen dreistelligen Zahl aus, sind aber auch immer wieder überrascht, mit wie vielen - teilweise sehr verschiedenen - CiviCRM-Anwendern wir nach und nach in Kontakt kommen.

Inzwischen formiert sich auch in Deutschland die Community stärker. Eine wichtige Rolle spielen dabei etwa der Verein Software für Engagierte und professionelle CiviCRM-Dienstleister wie wir selbst oder die Firma FabITS (im Bereich Hosting).

Eine Herausforderung sehen wir beim deutschsprachigen Support und der Dokumentation - beides ist im englischsprachigen Bereich für eine Open-Source-Software sehr gut vorhanden. Durch die recht geringe Verbreitung in Deutschland (und die Tatsache, dass die meisten Entwickler Englisch können) ist der deutschsprachige Community-Support noch relativ schwach ausgeprägt. In erster Linie gibt es die SfE-Mailingliste, diverse Blogbeiträge von SYSTOPIA und unseren Leitfaden.

Auf der anderen Seite nimmt die Community momentan stark an Fahrt auf: Es gibt erste größere Make-it-Happen-Projekte (insbesondere die neue Extension für Zuwendungsbescheinigungen), und wir planen mittelfristig eine große CiviCRM-Onlinehilfe und -Wissensdatenbank aufzubauen.

Lokalisierung

CiviCRM ist auf Deutsch verfügbar. Die Übersetzung ist inzwischen recht gut, wenn auch nicht perfekt. Manchmal gibt es noch etwas sperrige oder holprige Übersetzungen, und hier und da begegnet dem Benutzer noch ein englischer Begriff. Allerdings bezieht sich das fast ausschließlich auf die nicht öffentliche Benutzeroberfläche, und diese bekommen im Normalfall nur Mitarbeitende der eigenen Organisation zu sehen.

Seit der Version 4.5 gibt es auch eine sehr gute Lösung für die Verarbeitung von Anreden nach deutschem Muster. Hierfür geriet man zuvor leicht in die Verlegenheit, mit Workarounds arbeiten zu müssen. Man kann nun vollautomatisch Anreden generieren, die das Medium (Brief oder E-Mail), die gewünschte Art der Anrede (formell oder informell), und ggf. vorhandene Titel (Dr., Prof. etc.) berücksichtigen. Für letztere gibt es endlich auch im Kern von CiviCRM ein Feld, man muss also keines mehr anlegen.

Funktionsumfang

Im Bereich der Kernfunktionen, also der Verwaltung von Kontakten und Beziehungen, inkl. der Integrationsmöglichkeiten in Webseiten, ist CiviCRM im Nonprofit-Bereich aus unserer Sicht herausragend.

Ähnliches lässt sich über die Verwaltung von Zuwendungen sagen. Insbesondere mit den Erweiterungen CiviSEPA, CiviBanking und unserer aktuellen Neuentwicklung für Zuwendungsbescheinigungen bleiben eigentlich keine Wünsche offen.

Die Verwaltung von Veranstaltungen und Teilnehmenden inkl. Onlineanmeldungen ist ebenfalls sehr gut. Man muss zwar ob des Funktionsumfangs dieses Moduls mit einigem Aufwand für die Einarbeitung rechnen, und manche Funktionen sind nicht gerade intuitiv anpassbar. Dafür profitiert man natürlich von der großen Flexibilität und der enormen Zeitersparnis durch die Automatisierung - gerade bei großen Veranstaltungen.

Die Verwaltung von Mitgliedschaften ist ebenfalls sehr ausgereift und umschließt ggf. auch die Verwaltung der entsprechenden Gebühren. Unter Umständen benötigt man noch einen Workaround bei der Verlängerung von Mitgliedschaften, da das deutsche Modell sich hier vom amerikanischen unterscheidet. Dies ist ein Bereich, den wir mit einer Software-Anpassung bzw. Erweiterung noch perfektionieren möchten.

Ein Bereich, in dem man im Vergleich zu anderen Produkten noch Abstriche hinnehmen muss ist das Strategische Fundraising und das dazugehörige Kampagnenmanagement. Zwar bietet CiviCRM Online-Spendenseiten, verschiedene Aktions- und Kampagnentypen. Komplexe Planungen und Verknüpfungen sind aber standardmäßig noch nicht in dem Maße möglich, in dem es für anspruchsvolle FundraiserInnen wünschenswert wäre. Wir planen daher - voraussichtlich für das kommende Jahr - die Entwicklung einer Erweiterung, die sich dieser Herausforderung annimmt. Anfragen dazu sind herzlich willkommen.

Fazit

CiviCRM hat sehr umfassende Funktionen in verschiedenen Bereichen. Zahlreiche Funktionsbereiche und Erweiterungsmöglichkeiten wurden hier nur kurz oder gar nicht angesprochen. Die Einzigartigkeit liegt jedoch in der Vereinigung der Möglichkeiten in einer einzigen Software, die in Deutschland ihresgleichen sucht. Schon jetzt ist CiviCRM daher oft die beste Wahl für viele deutsche Nonprofit-Organisationen. Kleine Organisationen mit „normalen“ Nutzungsszenarien profitieren von ihr ebenso wie große Organisationen, die die Software individuell an ihre Bedürfnisse anpassen wollen und dafür auch die nötigen Ressourcen haben.

Die Community organisiert sich zunehmend, und wir sind zuversichtlich, dass Deutschland in Sachen CiviCRM bald zu anderen Ländern aufschließen wird.

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Über den Autor

Fabian Schuttenberg
Gründer und Gesellschafter bei SYSTOPIA